Tabaklobbyismus

„Jeder und alles ist käuflich“ – ein Motto der Tabaklobby und seine Umsetzung

Für die Tabaklobby steht mit dem Fortschritten im Nichtraucherschutz in vielen Ländern der Welt viel auf dem Spiel. Zwar generieren neu erschlossene Märkte wie etwa China inzwischen einen erheblichen Teil der Umsätze, andererseits stand  z.B. Deutschland nach Informationen des Statistischen Bundesamts von 2012 im Jahr 2011 immer noch für einen Umsatz  von 24 Milliarden (!) Euro in den Segmenten Zigarette und Feinschnitt-Tabak.

Da lohnt es sich durchaus, mit großzügig eingesetzten finanziellen und personellen Mitteln Einfluss auf das Verhalten der Konsumenten, jedoch auch der Nichtkonsumenten von Tabakwaren zu nehmen. Bekannt ist schon seit 1987, als vertrauliche Dokumente des Tabakriesen Philip Morris veröffentlicht wurden („Projekt Down Under“) ,  dass sorgfältig unterschieden wird zwischen Rauchern, Nichtrauchern und  „Antis“. Die „Antis“ sind nach Sichtweise der Tabaklobby Personen und Institutionen, die gegen die wirtschaftlichen Interessen der Tabaklobby handeln, über die Schädlichkeit des Rauchens und des Passivrauchens aufklären und somit für Absatzprobleme und gesetzgeberische Maßnahmen sorgen.

Ziele sind, die Raucher an das Produkt gebunden zu halten, die Nichtraucher ruhigzustellen und die „Antis“ zu isolieren (durch Diskreditierung als „Spinner“ und „Fanatiker“). Die Einflussnahme auf die Öffentlichkeit geschieht in vielfältiger Weise. Die aufgeführten Beispiele sind nicht vollständig; möglicherweise entziehen sich auch bestimmte Aktivitäten der Tabakindustrie noch unserer Kenntnis.

  • Wissenschaftler werden gezielt „akquiriert“, z.B. für die 2009 vom Tabakhersteller „Philip Morris“ durchgeführte Studie zum Thema „Additive in Zigaretten“, die aufgrund gefälschter und manipulierter Ergebnisse einer wissenschaftlichen Nachprüfung nicht standhielt
  • Autoren engagiert
  • wissenschaftliche Arbeiten, die den eigenen Zielen zuwiderlaufen, werden in Zweifel gezogen
  • Politiker und Parteien hofiert und finanziert (besonders bekannt dafür wurde in Deutschland die „Freie Drogen Partei“ FDP) und unter Druck gesetzt (bisheriger Höhepunkt war der immer noch nicht beendete Skandal um den erzwungenen Rücktritt von John Dalli, dem ehemaligen EU-Gesundheitskommissar, der u.a. Einheitsverpackungen für Zigaretten einführen wollte)
  • Journalisten und Redakteure gezielt bearbeitet (oft auch für den Laien erkennbar an Negativ-Titeln zu Artikeln über positive Rauchfrei-Nachrichten)
  •  Dialogbereitschaft geheucheltTeilnahme an und Unterstützung von Informationsveranstaltungen, z.B. zur Drogen- und Schmuggelproblematik, „Parlamentarisches Frühstück“, „Wahlkreis After Work“ und zahlreiche „Zigaretten-Lounge“-Veranstaltungen mit Wohlfühlcharakter schaffen eine gute Grundlage zur Akzeptanz von pro-Tabak-Argumenten.
  • Verbände wie der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband instrumentalisiert, um unter den Wirten Existenzängste zu schüren und die Lüge zu kultivieren, die seit dem Jahr 2000 erfolgten Umsatzeinbußen in der Gastronomie seien den (erst ab 2007 erlassenen) Nichtraucherschutzgesetzen anzulasten
  • breite Gesellschaftsschichten manipuliert: Ihre treuen Kunden, die Raucher, sind den Tabakkonzernen dank vieler Gewinnspiele, Produktprobenaktionen und gesponserte Events mit ihren Daten wohlbekannt und diese Zielgruppe wird psychologisch ausgefeilt an der Kandare gehalten. In allen Schichten hilft das Anlegen des sozialen Mäntelchens: Wie der Wolf in den Schafspelz schlüpft, um seine gefräßige Absicht zu vertuschen, so schlüpft die Tabakindustrie gerne in das Mäntelchen des sozialen Wohltäters. Dort, wo der Staat Menschen oder gar ganze Gruppen vernachlässigt (Frauenhäuser, Obdachlose), macht sich die Tabakindustrie breit und lässt sich dafür von manipulierbaren Politikern in Dankesreden huldigen.

Diese und andere Propagandamaßnahmen waren und sind äußerst erfolgreich. So ist es daher auch möglich, dass in der EU neben Bulgarien nur noch Deutschland – der absatzstärkste Tabakproduktemarkt in der EU – weiterhin Plakat- und Kinowerbung  (ab 20 Uhr) für Zigaretten erlaubt und dass Wirtschaftsminister Rösler, selbst Arzt, verlautbaren lassen kann: über die bisherigen Werbeeinschränkungen „hinausgehende Entscheidungen würden praktisch zu einem Totalverbot für ein legales Produkt führen und wären aus der Sicht des Ministeriums verfassungsrechtlich bedenklich.“ Sehr schön zu erkennen ist hier die Vernebelungsstrategie der Tabaklobby: Ein Werbeverbot ist nicht gleichzusetzen mit einem Verkaufs- oder Konsumverbot und die Werbeverbotsvereinbarung mit der WHO ist von Deutschland unterzeichnet und auch ratifiziert worden. An die Stelle guter Argumente für die Beibehaltung einer Werbung, die Jugendliche in die sichere körperliche Abhängigkeit treibt, treten im Grunde unhaltbare Aussagen, die unaufhörlich wiederholt Wähler verunsichern und die Tabakbranche entzücken.

Folgende Infografik aus den Veröffentlichungen des EU-Parlaments zeigt den Anteil von Rauchern in den einzelnen EU-Ländern:

© Europäische Union, [2013] – Quelle: Europäisches Parlament

http://www.europarl.europa.eu/news/de/headlines/content/20130708STO16805/html/Umweltausschuss-Das-Ende-der-Zigarette-mit-Geschmacksverstaerker

Infografik des EU-Parlaments zu den Raucherzahlen in der EU